Es war ein Formfehler - nicht mehr - der Anfang August ein Chaos am Himmel über Deutschland verhinderte. Die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) hatte zum Arbeitskampf gegen die Deutsche Flugsicherung DFS aufgerufen. Der für Donnerstag geplante Streik musste jedoch aufgrund eines Gerichtsbeschlusses erster Instanz kurzfristig abgesagt werden. Die Richterin hatte geurteilt, dass einige Forderungen der Gewerkschaft gegen bestehende Tarifverträge verstoßen, deren Laufzeit noch nicht beendet ist. Dies aber ist politisch bei Tarifvertragsverhandlungen durchaus üblich. Arbeitgeber setzen niedriger, Arbeitnehmer höher an - die Einigung geschieht in der Mitte. So manche Airline hatte bereits den Notfallplan aus der Schublade gezaubert - der Flugverkehr konnte allerdings planmäßig abgewickelt werden. Doch: Noch ist nicht aller Tage Abend. Gestreikt wird auf jeden Fall - daran wird auch das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt nichts ändern. Die Betroffenen fordern eine weitere Tarifgruppe zu den bereits bestehenden 11 sowie 6,5 % mehr Lohn und größeren Einfluss bei der DFS. Der Arbeitgeber aber favorisiert zum 01.08.2011 eine Erhöhung von 3,2 % plus weitere 2 % oder eine Inflationsabgeltung zum 01. November 2012. Der Streik hätte am Donnerstag von 06.00 bis 12.00 Uhr stattfinden sollen und hätte wohl zu einem Chaos an den Flugplätzen Deutschlands geführt. Schließlich ist Urlaubszeit, wodurch zu den normalen Linienflügen noch unzählige Charter-Flüge in die Urlaubsdestinationen hinzukommen. Aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichtes Frankfurt blies die GdF zehn Stunden vor Beginn die Arbeitsniederlegung ab. Doch sind mögliche weitere Streiktermine bereits geplant, weiß GdF-Vorstandsmitglied Markus Siebers. Dies werde 24 Stunden zuvor bekannt gegeben. Herbe Kritik hagelt es inzwischen von der DFS. So betont der Personalchef der Deutschen Flugsicherheit, Jens Bergmann, dass das Zögern der Gewerkschaft trotz des vorliegenden Gerichtsurteils bereits Unsummen von Geld verschlungen habe. Dies wiederum weist die Gewerkschaft zurück. Die Berufung sei eingelegt worden, eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes allerdings erst in der Nacht vor dem Streik erwartet worden. Dies wollte man nicht auf dem Rücken der Fluggäste austragen, weshalb der Streik vorerst abgesagt worden ist. Kurz zur Veranschaulichung einige Zahlen des Deutschen Reiseverbandes: An einem durchschnittlichen August-Reisetag fliegen in Deutschland rund 600.000 Passagiere. Der Streik hätte 2.500 Flüge betroffen. Chartergesellschaften sind dazu übergegangen, Starts vorzuziehen oder nach hinten zu legen. Soweit zu den Flügen von und nach Deutschland. Doch wären auch die Luftstraßen über Deutschland zu anderen Zielen betroffen gewesen. Hätte eine Maschine aus Fernost mit Ziel London Heathrow überhaupt noch in Dubai abgehoben, wenn sie in der Direttissima über Deutschland hätte fliegen müssen? Der Streik wäre also richtig teuer gekommen! Das meint auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der betonte, dass dieser Arbeitskampf einzig auf dem Rücken der Urlauber ausgefochten würde. Sich ausgerechnet die Hauptferienreisewoche für diesen Streik herauszupicken??? Ein klares Nein also von der FDP. Auch wirtschaftlich wäre das Wort "Katastrophe" durchaus zutreffend gewesen. Nach Japan, dem Wegfall der nordafrikanischen Destinationen und dem teuren Kerosin nun auch noch eine Arbeitsniederlegung? Das hätte wohl so manche Airline, die bislang ohnedies (wie etwa die Air France) rote Zahlen einfliegt, hart getroffen. Doch sollte auch die zweite Seite, jene der Fluglotsen, berücksichtigt werden. Die Deutsche Flugsicherung war ehemals eine Behörde. Jeden Tag werden rund 10.000 Flugbewegungen über Deutschland beaufsichtigt. Seit der Privatisierung gab es noch keine einzige Arbeitsniederlegung. Die GdF vertritt von 5.500 Beschäftigen der DFS rund 3.200. Der Streik wurde mit großer Mehrheit in einer Urabstimmung bestätigt. Unterdessen geht auch der bundesweite Arbeitskampf der Zeitungs-Journalisten weiter. Sie protestieren seit Monaten gegen die Einsparungsmaßnahmen der Verlagshäuser. Sinkende Leserzahlen zwingen die Zeitungen inzwischen, Personal abzubauen. Außerdem forderte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZ) in den Tarifverhandlungen ein um 25 % niedrigeres Anfangsgehalt und eine Lohnkürzung von 5 % bei den bestehenden Verträgen. Das wollen sich die 14.000 Zeitungsredakteure allerdings nicht bieten lassen. Die Gespräche sind am Laufen, so wurden beispielsweise die Dumping-Anfangsverträge inzwischen wegverhandelt - der bestehende Manteltarifvertrag wurde bis 2013 wieder in Kraft gesetzt. Damit bleibt auch die Altersvorsorge bis 2013 unantastbar. Sehr viele Zeitungen allerdings drucken derzeit nach wie vor nur Agentur-Meldungen und Presseaussendungen ab. Dies lässt so manchen Abonnenten daran zweifeln, dass sein Geld das Zeitungspapier auch wert ist. Die Knackpunkte bleiben in einer Senkung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes in wirtschaftlichen Notlagen des Verlages und den Gehältern an sich. Der Streik ist unbefristet - dafür sprach sich bei der Urabstimmung der beiden Gewerkschaften Deutsche Journalisten-Union (dju in ver.di) und Deutscher Journalistenverband (DJV) eine überwältigende Mehrheit der Arbeitnehmer in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen aus. Auf den Plakaten und Schildern steht: "Content ohne Kontext", "Kommerz statt Fakten" und "Keine Zeit für Recherche". Gute Leute sollen mit fairen Löhnen gelockt werden. Anstatt dessen werden sie aber durch die Verleger offenbar vergrault. Deren Arbeit übernehmen zumeist günstige oder kostenlose Praktikanten. Der DGB spricht von einem "unverzichtbaren Beitrag zur Meinungsbildung und für die Demokratie", den die Redakteure tagtäglich leisten. In den meisten Verlagshäusern sind die Computer inzwischen wieder hochgefahren, da nicht die Leser gemachte Management-Fehler ausbaden sollen. Doch ist "die Kuh noch nicht vom Eis!", so Bernd Fiegler, Geschäftssekretär von ver.di. Pop-Star Xavier Naidoo erklärte in seiner Heimatstadt Mannheim seine Solidarität mit den Zeitungs-Journalisten und gab vor 100 Streikenden ein 30-minütiges "Guerilla-Konzert" in der Innenstadt - in einem Truck mit mobiler Bühne. . Nun ja - und da waren dann auch noch die Mitarbeiter des Personen-Nahverkehrs in Baden Württemberg. Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) und der Gewerkschaft ver.di zu keinem Ergebnis geführt haben, streikten rund 7.500 Bus- und Straßenbahnfahrer in einigen großen Städten des Landes. Die Arbeitgeber hätten nur schwache Angebote präsentiert, nachdem der Manteltarifvertrag durch ver.di gekündigt wurde. Es handelte sich vorerst um einen ganztägigen Warnstreik, wird vonseiten der Gewerkschaft betont. Sollte es zu keinerlei Einigung kommen, dann wird von Arbeitsniederlegungen im ganzen Land gesprochen. Auf dem Wunschzettel von ver.di stehen verbesserte Arbeitsbedingungen (kürzere Schichten oder die Bezahlung von Pausen zwischen geteilten Schichten), die Aufstockung des Weihnachtsgeldes von derzeit 82 auf 100 % des Monatsgehaltes sowie 30 Tage Urlaub. Der KAV kontert, dies würde eine Erhöhung der Personalkosten von 7 bis 10 % ausmachen - schlichtweg nicht finanzierbar. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 14. September vorgesehen, weitere Streiks werden auch hier nicht ausgeschlossen. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 23 KW 32 | 11.08.2011 |
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